Tagesseminar bildet Rahmen für Kooperation mit dem Bund Klassischer Homöopathen Deutschlands

Zu einem hochinteressanten Tageseminar hatte die Berufsvereinigung hpO Mitglieder und Interessenten am 28. März nach Kitzingen in die Rolf-Schneider-Akademie eingeladen. Christian Hartmann, Inhaber des Jolandos Verlag, referierte vor zwei Dutzend Teilnehmern über die Geschichte und Philosophie der klassischen Osteopathie.

Ein auch berufspolitisch wichtiges Thema, hatten doch die Manualmediziner in einem Positionspapier Anfang des Jahres behauptet, Osteopathie zähle zur Manuellen Medizin. Dieser Auffassung hatte die hpO bereits deutlich widersprochen (siehe News vom 24.01.15), nun bestätigte Christian Hartmann mit seinen Ausführungen zur Geschichte und Philosophie, wie abwegig die Position der Manualmediziner tatsächlich ist.

In seinem Seminar legte Hartmann die „Philosophie der Osteopathie“ anhand den Texten und der Biografie  ihres Entdeckers A.T. Still (1828-1917) dar. Er belegte eindrücklich, dass Still sich selbst primär nicht als Behandler, sondern als ursprünglicher und von allen Autoritäten unabhängiger Denker „jenseits der Wagenspuren“ verstand. Daher müsse man ihn auch primär als behandelnden Philosophen und nicht als philosophierenden Behandler (an)erkennen, wobei der Begriff „Philosophie“ auf Still bezogen stets im ursprünglichsten und einfachsten Sinn lediglich als „Liebe zur Weisheit“ zu verstehen sei.

Hartmann beschrieb, wie Still über den philosophischen Regelkreis Beobachtung – Reflexion – Schlussfolgerung - Beobachtung die Grundprinzipien seiner Osteopathie aus der Natur erschließt: Still davon aus, dass das freie Fließen der Körperflüssigkeiten und Nervenströme die Grundlage für die Entfaltung der Selbstheilungsmechanismen darstellt. Bei ungünstigen anatomisch-physiologischen Rahmenbedingungen wird dieses Fließen direkt, indirekt (vasoaktive Reflexe) eingeschränkt.

Bei seinem therapeutischen Ansatz legte A.T. Still folgerichtig allergrößten Wert auf die Anpassung der zugrunde liegenden anatomisch-physiologischen Rahmenbedingungen an den Organismus selbst (=> keine Korrektur!), damit die Physiologie die Pathologie verdrängen und Heilung ausschließlich aus sich selbst heraus erfolgen kann. Demzufolge betrachtet Still den Osteopathen ganz im hippokratischen Sinn nicht als Heiler, sondern als einen behandelnden Naturphilosophen und die Osteopathie nicht als  „Verfahren“, sondern als im fürsorglichen Kontext kunsthandwerklich angewendete Naturphilosophie (modern: bio science).

Durch die geschickte Einbettung der Geschichte Stills und seiner Texte in verständlich dargestellte kultur- und medizinhistorische Zusammenhänge, alltagsklinische Begebenheiten und berufspolitische Aspekte vermittelte Hartmann nachdrücklich, dass A.T. Stills Philosophie der Osteopathie tatsächlich einen medizinhistorischen Meilenstein darstellt - allerdings anders als bisher gedacht. Dass sie die „heroische“ Medizin seiner Zeit zurecht angreift, war bereits bekannt, dass sie aber auch das therapeutische Selbstverständnis des Osteopathen und der Osteopathie im 21. Jahrhundert erschüttert, das war neu.

Das Tagesseminar, das von der Rolf-Schneider-Akademie perfekt organisiert worden war, bot auch einen willkommenen Rahmen für Berufspolitik, da vor und nach der Veranstaltung Gespräche auf Vorstandsebene zwischen der Berufsvereinigung für heilkundlich praktizierte Osteopathie, hpO, und dem Bund Klassischer Homöopathen Deutschlands, BKHD, geführt wurden. Dabei beschlossen Osteopathen und Homöopathen eine weitreichende Zusammenarbeit.

Für den hpO-Vorsitzenden Jürgen Gröbmüller können „die Synergien aus dieser Kooperation eine neue Ära der berufspolitischen Arbeit in der Komplementärmedizin einläuten.“

Martin Kühn, Vorstandssprecher des BKHD, ergänzt:
„Indem wir die Geschichte und, darauf fußend, die konkreten Ausprägungen des jeweilig anderen Therapiesystems besser kennen und verstehen, lernen wir auch die Rahmenbedingungen und Handlungsoptionen der verantwortlich Handelnden besser zu verstehen und einzuschätzen.
Dies ermöglicht es uns, gemeinsam neue Formen kooperativen Zusammenwirkens auf fachlicher wie politischer Ebene zu durchdenken und zu erproben. Dabei gefundene  Verhaltensmodalitäten und Handlungsoptionen könnten auf längere Sicht auch als attraktives ‚Angebot’ den Vertretern der anderen, heilpraktisch orientierten Therapieverbände nahegebracht werden.“

Als Dachverband deutscher Homöopathie-Vereine befasst sich der BKHD mit Wissenschaft und Forschung sowie mit Qualitätssicherung in der Klassischen Homöopathie. Zentrale Aufgaben sind die Erarbeitung von Grundlagen und Strategien zum Erhalt der homöopathischen Arzneimittel, zur Öffentlichkeitsarbeit und die Beziehungen zu anderen Verbänden und Organisationen.