Werbung mit Anwendungsgebieten wegen Abmahngefahr meiden

In Berlin ist vor dem dortigen Kammergericht im Sommer diesen Jahres ein Musterprozess zur Werbung mit Osteopathie in zweiter Instanz verloren gegangen (Kammergericht Berlin, AZ: 5 U 120/13). Obwohl das Urteil alle osteopathisch tätigen Therapeuten betrifft, die mit Indikationen bzw. Anwendungsgebieten werben, sind bislang nur die Mitglieder des in den Prozess involvierten Osteopathenverbandes nachträglich informiert worden. Als hpO sind wir aber der Meinung, dass alle osteopathisch tätigen Therapeuten hiervon Kenntnis haben sollten, um möglichen Abmahnungen zu entgehen.
 
In dem Musterprozess war ein osteopathisch tätiger Therapeut von einem Abmahnverein wegen den auf seiner Praxiswebseite aufgeführten Anwendungsgebieten abgemahnt und anschließend verklagt worden. Das Gericht hatte unter anderem die Frage zu klären, ob der folgende Hinweis, den besagter Verband für seine Mitglieder erstellt hatte, ausreicht, um Indikationen bzw. Anwendungsgebiete in der Osteopathie auflisten zu können:
 
„Aus rechtlichen Gründen wird darauf hingewiesen, dass in der Benennung der beispielhaft aufgeführten Anwendungsgebiete selbstverständlich kein Heilversprechen oder die Garantie einer Linderung oder Verbesserung aufgeführter Krankheitszustände liegen kann. Die Anwendungsgebiete beruhen auf Erkenntnissen und Erfahrungen in der hier vorgestellten Therapierichtung (Osteopathie) selbst; nicht für jeden Bereich besteht eine relevante Anzahl von gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen, d.h. evidenzbasierten Studien, die die Wirkung bzw. therapeutische Wirksamkeit belegen.“
 
Das Gericht hat diese Frage verneint und damit begründet, dass
„der Hinweis schon deshalb nicht klar und unmissverständlich (sei), weil er offen lässt, für welche der nachfolgend genannten Anwendungsgebiete konkret eine wissenschaftliche Absicherung fehlt.“
 
Zudem hat das Gericht festgestellt, dass die vom Beklagten auf seiner Praxishomepage aufgeführten Anwendungsgebiete wissenschaftlich nicht ausreichend belegt werden können und er insofern eine unzulässige irreführende Werbung gemäß § 3 Satz 2 Nr. 1 HWG betrieben habe.
 
Auf der Praxishomepage aufgeführt waren im einzelnen:
Gelenkprobleme, Hexenschuss, Ischias, Schleudertrauma, Verstauchungen, Verletzungen, Verdauungsstörungen, Sodbrennen, Organsenkung, Operationsfolgen wie Narben und Verwachsungen, funktionelle Herzbeschwerden, Kopfschmerzen, Migräne, Nasennebenhöhlenentzündung, chronische Mittelohrentzündung, Mandelentzündung, Schwindel, Tinnitus, Kiefergelenksproblematik, Bissregulation, Neuralgien, Menstruationsbeschwerden, Schwangerschaft, Geburtsvorbereitung und Nachsorge, klimaterische Beschwerden, Infertilität, geburtsbedingte Schädel- und Gesichtsverformungen, Schiefhals, KISS-Syndrom, Skoliose, Hüftdysplasie, Spuckkind, Entwicklungsverzögerungen, Lern- und Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität, Behinderungen.

Der Beklagten hatte im Prozess versucht, mithilfe von osteopathischen Studien die Wirksamkeit der Osteopathie für einzelne Anwendungsgebiete nachzuweisen, doch wurden die vorgelegten Studien zu Migräne, Bluthochdruck, Lungenentzündung, Harnwege, Prostataentzündung und Okklusionsstörungen vom Gericht als inhaltlich unzureichend angesehen, u.a. weil diese Studien auf die Notwendigkeit weiterer Studien hinweisen. Eine fachliche Unterstützung bei der Auswahl der vorgelegten Studien hatte der Beklagte weder von seinem Verband noch von der Akademie für Osteopathie erhalten.
 
Aufgrund des Urteils des Kammergerichts Berlin empfiehlt die hpO allen osteopathisch tätigen Therapeuten auf ihrer Praxishomepage vorerst nicht mit Indikationen bzw. Anwendungsgebieten zu werben.

Mitglieder der hpO können ihre Praxiswebsite auf mögliche Abmahngefahren hin kostenlos überprüfen lassen.