Bundesregierung plant keinen Primärkontakt für Physiotherapeuten – was bedeutet das für die Osteopathie?

Die Bundesregierung „plant derzeit nicht“ Physiotherapeuten die Behandlung von Patienten im Primärkontakt, also ohne vorherigen Arztbesuch und ohne ärztliche Verordnung zu gestatten.
Das ist eine der Kernaussagen aus der Drucksache 18/6974 vom 9. Dezember. Damit beantwortet die Bundesregierung eine sog. Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE zum Thema Direktzugang zur Physiotherapie.
 
Aus Sicht der Bundesregierung haben Physiotherapeuten nicht die notwendige Kompetenz, um im Primärkontakt arbeiten zu können:
„Im Fall eines Direktzugangs erfolgt die ‚diagnostische Abklärung’ der Behandlungsnotwendigkeit durch den Physiotherapeuten; dies ist eine Aufgabe aus dem Kernbereich heilkundlichen Handelns. Um die Diagnostik einschließlich Kontraindikationen umfassend sicherzustellen, sind den ärztlichen Kompetenzen vergleichbare Kompetenzen einschließlich der Befähigung erforderlich, über die
Einbindung weiteren ärztlichen Sachverstandes etwa im radiologischen, labormedizinischen oder neurologischen Bereich entscheiden zu können. Um diese Kompetenzen zu erlangen, wäre eine deutliche Veränderung und Ausweitung der Ausbildung erforderlich.“
 
In ihrer Antwort führt die Bundesregierung noch einen zweiten Grund auf, weshalb Physiotherapeuten „derzeit“ keinen Primärkontakt erhalten und die Erbringung von Heilmitteln und Arztvorbehalt stehen bleiben soll:
Denn „der Arztvorbehalt (dient) auch der notwendigen Mengensteuerung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Durch die Vorgaben der Heilmittelrichtlinie und die Kontrollmöglichkeiten der Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen sind die Vertragsärzte unmittelbarer dem Wirtschaftlichkeitsgebot der GKV unterworfen als die Heilmittelerbringer. Somit gewährleisten die Vertragsärzte durch ihre Verordnungen, dass es nur in solchen Fällen zu Heilmittelbehandlungen kommt, in denen diese medizinisch notwendig sind.“
 
Was bedeutet nun diese Stellungnahme der Bundesregierung für die Osteopathie und deren Ausübung?
 

  1. Solange Physiotherapeuten keinen Primärkontakt zu Patienten erhalten, laufen wir nicht Gefahr, sozusagen von rechts überholt zu werden:
    Von zahlreichen Physiotherapeuten, die mit einer Schmalspurweiterbildung, etwa in Osteopathischen Verfahren, genauso im Primärkontakt arbeiten würden, wie jene Kollegen, die über eine qualifizierte osteopathische Weiterbildung verfügen und Osteopathie als Heilkunde rechtssicher ausüben dürfen. (In 2013 waren laut Bundesregierung immerhin 176.000 Physiotherapeuten im Gesundheitswesen tätig.)

  2. Die Antwort der Bundesregierung macht indirekt aber auch deutlich, dass ein Heilberuf Osteopath nicht kommen wird. Denn dieser müsste schon aus oben aufgeführten wirtschaftlichen Gründen in das bestehende Gesundheitssystem (inkl. Abrechnung nach Ziffern usw.) implementiert werden, was sich mit dem Wesen der Osteopathie und ihrer diagnostischen und therapeutischen Anwendung nicht verträgt.


Wer also weiterhin einen eigenen Beruf fordert, sollte endlich erklären, wie dieser in unser Gesundheitssystem eingefügt werden soll, ohne dass dabei die Osteopathie oder Teile von ihr zu einem Heilmittel gemacht werden.

Für die Osteopathie würde man zudem erst Modelprojekte initiieren müssen; in Bezug auf laufenden Modellprojekte zur Physiotherapie äußert sich die Bundesregierung abwartend: „Die Bundesregierung wird eine Bewertung der Ergebnisse der laufenden Modellvorhaben erst nach Vorliegen der Abschlussberichte vornehmen.“
 
Schließlich überzeugt auch das Argument der möglichen Kostenersparnis die Bundesregierung nicht – zumindest nicht für den Bereich der Physiotherapie:
„Die vorliegenden Studien lassen keine endgültigen Aussagen zu den gesundheitsbezogenen und ökonomischen Auswirkungen des Direktzugangs zu. Bezogen auf den einzelnen Behandlungsfall sind die Befunde zur Menge abgegebener Therapieeinheiten widersprüchlich. (...) Diese Befunde lassen verschiedene Interpretationen zu, da sie auf eine erhöhte Wirksamkeit der Therapien bei frühzeitigem Beginn, aber auch auf das Vorliegen leichterer Beschwerden des direkt Behandelten hindeuten können. Weiterhin ungeklärt ist auch, ob der Direktzugang bezogen auf die Gesamtzahl der Behandlungsfälle zu einer Mengenausweitung führt. In diesem Fall wären eventuelle Einspareffekte bei der Zusatzdiagnostik oder bei der Verordnung von Arzneimitteln schnell wieder aufgezehrt.
In den Niederlanden, in denen der Direktzugang zum Physiotherapeuten für die meisten Patienten nicht durch die obligatorische Krankenversicherung, sondern durch – dort verbreitete – private Zusatzversicherungen finanziert wird, ist nach der 2006 erfolgten Einführung des Direktzugangs der Anteil der Versicherten, die im Jahresverlauf einen Physiotherapeuten aufsuchen, von 16,8 Prozent (2005) auf 22 Prozent (2013) gestiegen. Ob dieser Anstieg in Verbindung mit der Einführung des Direktzugangs steht oder andere Ursachen hat, ist nicht geklärt.“

 
Damit bleibt es erst einmal bei dem, was die Bundesregierung schon in 2014 geäußert hatte: „(...) Zum Thema „Beruf des Osteopathen“: Es ist richtig, dass es kein geregeltes Berufsbild dafür gibt. Es besteht seitens des Bundes aber auch keine Absicht, da eine Regelung zu schaffen."