OLG-Urteil: ein vorläufiges juristisches Fazit

Das Düsseldorfer OLG-Urteil vom 8. September 2015 hat zu einer ganzen Reihe unterschiedlicher Stellungnahmen von Juristen und Nichtjuristen geführt.
Anlass genug für unseren juristischen Berater in Sachen Wettbewerbsrecht und Heilpraktikerrecht, Dr. René Sasse, das Urteil selbst und dessen Stellungnahmen zu kommentieren und ein vorläufiges juristisches Fazit zu ziehen.
 
Dabei beleuchtet Rechtsanwalt Dr. Sasse vier wesentliche Themen, angefangen bei der Frage, warum das Oberlandesgericht zu dem Urteil keine Revision zugelassen hat und was das rechtlich zu bedeuten hat. Rechtsanwalt Dr. Sasse hierzu:
„Aus dem diesbezüglichen Passus der Urteilsbegründung zur Nicht-Zulassung der Revision kann weder ein besonderer Einzelfallcharakter des Urteils abgeleitet werden noch auf eine beschränkte rechtliche Bedeutung geschlussfolgert werden. Ferner hätte der Beklagte die Möglichkeit gehabt, gegen diese Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einzulegen. (...) Von dieser Möglichkeit wurde jedoch kein Gebrauch gemacht; das Urteil wurde somit rechtskräftig.“
 
Rechtsanwalt Dr. Sasse geht auch der Frage nach, wie der Hinweis auf die Einzelfallentscheidung zu deuten ist:
„Die anwaltliche Praxis zeigt, dass nur wenige höher- oder gleichrangige Gerichte von einer gut begründeten oberlandesgerichtlichen Entscheidung abweichen. Im Falle einer abweichenden Entscheidung würde zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Revision zum BGH zugelassen werden.“
 
Rechtsanwalt Dr. Sasse führt mehrere Gründe auf, warum Osteopathie als Heilkunde nicht an Physiotherapeuten delegiert werden kann:
„Eine Ausweitung des Delegationsprinzips über den gesetzlichen Aufgabenbereich eines Gesundheitsdienstberufs hinaus, würde zu einer uferlosen Ausweitung heilkundlicher Kompetenzen und somit zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheit führen. Zudem können rein verbandsrechtlich organisierte Weiterbildungen nicht den gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich erweitern. Eine solche Sichtweise ließe sich nicht auf den Bereich der Osteopathie beschränken. Letztlich stünde es den Angehörigen eines Gesundheitsberufes frei, ihre heilkundlichen Befugnisse durch private Weiterbildungen beliebig zu erweitern.“
 
Das hat laut Rechtsanwalt Dr. Sasse auch Konsequenzen für die osteopathische Erstattungspraxis gesetzlicher Krankenkassen, die eine formlose ärztliche Bescheinigung voraussetzen:
„Das Ausstellen einer solchen Bescheinigung dürfte Ärzten zukünftig (...) nicht mehr gestattet sein, da dies die rechtswidrige osteopathische Behandlung des Physiotherapeuten fördern würde. Insofern haben Ärztekammern bereits ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht.“
 
Abschließend warnt Rechtsanwalt Dr. Sasse vor den diversen Sanktionsmöglichkeiten, die das OLG-Urteil nach sich zieht.
„Oft wird nicht hinreichend deutlich beachtet, dass es sich bei § 5 des Heilpraktikergesetzes um einen Straftatbestand handelt. (...) Diese Verbotsnorm gilt auch für das Überschreiten einer heilkundlichen Kompetenz. Sofern Strafgerichte der Sichtweise des OLG Düsseldorf folgen, wären hier Strafverfahren möglich. Zudem kann der Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt sein. Da in diesem Fall erhebliche Zweifel an einer rechtswirksamen Einwilligung des Patienten bestehen, kommen ebenfalls strafrechtliche Sanktionen in Betracht.“
 
Aufgrund des Verstoßes gegen § 5 des Heilpraktikergesetzes könnten laut Rechtsanwalt Dr. Sasse Patienten sogar das Behandlungshonorar zurückfordern:
„Nach § 134 BGB sind Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. (...) Der Behandler wäre demnach verpflichtet, das Honorar nach den Grundsätzen einer ungerechtfertigten Bereicherung zu erstatten.“
 
Abschließend warnt Rechtsanwalt Dr. Sasse auch vor dem Risiko hoher Prozesskosten im Falle zivilrechtlicher Abmahnungen:
„Aufgrund dieser Risiken sollte jeder betroffene Physiotherapeut sorgfältig abwägen, welches Risiko er eingehen möchte. Zumindest sollte er objektiv darüber informiert sein, welche potentiellen Risiken in Betracht kommen. Letztlich sind nicht Verbände oder Schulen den aufgezeigten Sanktionen ausgesetzt, sondern der einzelne Therapeut.“
 

Der gesamte Beitrag von Rechtsanwalt Dr. René Sasse kann auf dessen Kanzleiwebsite nachgelesen werden.

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