Die Ausübung der Osteopathie auf ärztliche Verordnung

Mit seinem vielbeachtetem Urteil vom 8. September 2015 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf im Wesentlichen zwei Kernaussagen getroffen:

  1. Osteopathie ist Heilkunde.
  2. Sie darf selbst auf ärztliche Verordnung hin nicht von Physiotherapeuten ausgeübt werden.

So unmissverständlich das Urteil auch ist, suchen Physiotherapieverbände und Politik trotzdem nach Wegen, um Physiotherapeuten die Ausübung der Osteopathie zumindest auf Verordnung hin zu ermöglichen.

Der eine Weg sorgt gegenwärtig für große Aufmerksamkeit:
Mit dem Änderungsantrag zum dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III), der die Einbindung der Osteopathie mit 60 Stunden in die Physiotherapieausbildung vorsieht, meint man, das OLG-Urteil aushebeln zu können. Denn das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte seinerzeit argumentiert, dass Physiotherapeuten die Ausübung der Osteopathie grundsätzlich zu untersagen sei, weil diese kein Bestandteil der physiotherapeutischen Ausbildung ist.

Bringt man daher ein bisschen Osteopathie in die Physiotherapieausbildung hinein, so die Überlegung der Antragsteller, wäre das Argument des OLG Düsseldorf hinfällig. Dass Osteopathie aber selbst dann noch Heilkunde bliebe und schon allein deshalb nicht von Heilmittelerbringern erbracht werden darf, wird dabei geflissentlich übersehen.
Spätestens nächstes Wochenende werden wir erfahren, ob der Änderungsantrag weiterhin Bestand haben wird.
 
Der andere Weg, den u.a. unlängst das niedersächsische Gesundheitsministerium in einer Antwort auf eine kleine Anfrage (Drucksache 17/6919) zu gehen versucht, besteht darin, auf § 11 Abs. 6 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung, zu verweisen.
Demnach sei die Ausübung der Osteopathie bei Vorliegen einer entsprechenden ärztlichen Verordnung „auch ohne Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz zulässig, da sie aufgrund von § 11 Abs. 6 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - vergütet werden darf.“
 
Geht das? Kann das SGB V das Heilpraktikergesetz aushebeln?
Wir haben dazu einen unserer rechtlichen Berater, Rechtsanwalt Dr. René Sasse, um eine Stellungnahme gebeten. Seine Antwort hierzu ist ein eindeutiges Nein, denn „das SGB V fasst sämtliche Bestimmungen zur Gesetzlichen Krankenversicherung zusammen. Ob eine osteopathische Leistung erbracht werden darf, ist indes keine erstattungsrechtliche (sozialversicherungsrechtliche) Frage, sondern ausschließlich eine Frage des Heilpraktikergesetzes.“   
 
Daran ändert auch eine ärztliche Verordnung nichts, denn „der Begriff der ‚ärztlichen Verordnung’ hat Bedeutung im Zusammenhang mit der Erstattung durch gesetzliche Krankenversicherungen. Gemäß § 3 der Heilmittelrichtlinie dürfen Heilmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen nur nach einer Verordnung durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt abgegeben werden. Diese Regelung hat ausschließlich sozialversicherungsrechtliche Bedeutung; sie lässt die Vorgaben des Heilpraktikergesetzes unberührt. Vielmehr ist die berufsrechtliche Zulässigkeit der Tätigkeit des Verordnungsempfängers eine immanente Voraussetzung der Verordnung.“    
 
Deshalb bestehen laut RA Sasse auch „erhebliche Zweifel daran, ob freiwillige Satzungsleitungen von Krankenversicherungen, welche die Erstattung von osteopathischen Leistungen durch Physiotherapeuten vorsehen, rechtskonform sind.“
 
Selbst im Delegationsverfahren, als „verlängerter Arm des Arztes“ sozusagen, ist Physiotherapeuten die Ausübung der Osteopathie untersagt. Zwar dürfen sie dann auf Veranlassung eines Arztes heilkundlich agieren, aber nur „im Rahmen ihrer gesetzlich festgelegten Aufgabenstellung“. Hierzu wird die Osteopathie, so ist zu hoffen, auch künftig nicht zählen.
 
 
hpO-Mitglieder erhalten auf Anfrage bei der Geschäftsstelle die komplette Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. René Sasse zugeschickt.