Interview mit David Lopez, 1. Vorsitzender des Bundes vereinter Therapeuten

Stehen eigentlich alle Physiotherapeuten geschlossen hinter der geplanten Einbindung der Osteopathie in die Physiotherapieausbildung? Oder gibt es auch aus physiotherapeutischer Sicht Argumente, die gegen eine solche Einbindung sprechen? Wir haben dazu David Lopez befragt, 1. Vorsitzender des Bundes vereinter Therapeuten:
 
Herr Lopez, Sie sind Physiotherapeut und repräsentieren mit Ihrer Interessensvertretung bundesweit Physiotherapeuten, Masseure, Ergotherapeuten, Logopäden und Podologen.
Ihnen sind die Bestrebungen der Physiotherapieverbände VPT, ZVK und IFK bekannt, die die Einbindung der Osteopathie in die Physiotherapieausbildung fordern.
Damit soll angeblich Rechtsicherheit für osteopathisch weitergebildete Physiotherapeuten geschaffen werden. Warum wird aus Ihrer Sicht damit keine Rechtsicherheit geschaffen? 
Das OLG Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 8.9.2015 bestätigt, dass Osteopathie als Heilkunde nur von Heilpraktikern und Ärzten ausgeübt werden darf. Dies gilt auch für die Physiotherapeuten, die osteopathische Leistungen auf Verordnung eines Heilpraktikers oder Arztes erbringen. Es ist somit zwingend erforderlich im Besitz einer uneingeschränkten Heilpraktikererlaubnis zu sein, will man osteopathisch tätig sein, selbst dann, wenn Physiotherapeuten über eine umfangreiche osteopathische Ausbildung verfügen.
 
Ein weiteres Argument lautet, die Einbindung der Osteopathie in die Physiotherapieausbildung würde die Qualität der Behandlung erhöhen. Warum stimmt das Ihrer Meinung nach nicht?
Die gesamte Ausbildung zum Physiotherapeuten muss überholt werden. Es gilt, Schwerpunkte neu zu definieren und Zertifikatsfortbildungen, die seitens der Kostenträger anerkannt und honoriert werden, in selbige zu integrieren. Dies ist zielführend im Bezug auf die Qualitätssicherung der Therapie. Würde stattdessen eine weitere Therapieform, welche noch dazu nicht einmal rechtssicher durchgeführt werden darf, in Teilen in die Ausbildung eingebunden, würde dies die Ausbildung weiter aufweichen und weniger Behandlungsqualität zur Folge haben.
 
Osteopathie soll zu einer neuen Zertifikatsleistung für Physiotherapeuten werden, also im Rahmen einer zertifizierten Weiterbildung im Umfang von ca. 500 Stunden erlernt werden. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Zunächst einmal muss Rechtssicherheit geschaffen werden. Was nutzt einem Physiotherapeuten eine weitere umfangreiche, kosten- und zeitintensive Zertifikatsfortbildung, wenn selbige nicht rechtssicher angewendet werden darf?!
Zudem muss die Vergütung der bestehenden Leistungen angehoben werden, damit Therapeuten sich überhaupt solche umfangreiche und damit teure Fortbildungen leisten können. Und schließlich sollten Fortbildungen ebenfalls einer übergeordneten Qualitätssicherung unterliegen, die dafür sorgt, dass die Aus- und Fortbildungsstandards in Deutschland angeglichen werden. Dies würde die Verhandlungsposition der Heilmittelerbringer gegenüber der Krankenkassen stärken.
 
Wer profitiert letztlich von solchen Zertifikatsleistungen?
Zertifikatsleistungen sind ein wichtiger Bestandteil der Behandlungsqualität und dienen nicht zuletzt auch der Qualitätssicherung. Von dem aktuell vorherrschenden System zum Erlangen der entsprechenden Zertifikate profitieren sowohl die Anbieter der Fortbildungen als auch die teilnehmenden Therapeuten. Erstere wirtschaftlich, letztere durch Erlangen von Wissen. Hier sehen wir dennoch einen Interessenkonflikt, daher fordern wir die Integration der Zertifikatsfortbildungen in die Ausbildung der Physiotherapie, da große Teile der Zertifikatspositionen ohnehin bereits Inhalt  der Ausbildung sind.

Wie sieht die Versorgungsrealität in der Physiotherapie aus, was kann ich als Physiotherapeut heute alles mit den GKVs abrechnen und wie viel davon habe ich in meiner Ausbildung erlernt?
Die momentane Situation ist nicht mehr länger hinzunehmen. Ausbildungsinhalte müssen an die vorherrschende Versorgungssituation angepasst werden. Nach erfolgreichem Abschluss des Staatsexamens dürfen Physiotherapeuten gut 40 % der Behandlungen nicht zu Lasten der gesetzlichen Kostenträger durchführen, da es sich um Zertifikatsleistungen handelt. Sie dürfen KG, Massage, Elektro-, Hydro-, Kryo- und Balneotherapie erbringen. Manuelle Therapie, Manuelle Lymphdrainage, Krankengymnastik am Gerät, Bobath, Vojta, etc. müssen hingegen in aufwendigen und teuren Fortbildungen wiederholt werden, da sie zwar in großen Teilen, aber eben nicht vollständig Inhalt der Ausbildung sind.
 
Nehmen wir an, Osteopathie wäre irgendwann eine neue Zertifikatsleistung für Physiotherapeuten und damit eine Regelleistung der Kassen, woher würden die GKVs das Geld nehmen, um diese Leistung zu bezahlen? 
Zum einen kann ich mir dieses Szenario in absehbarer Zeit nur schwerlich vorstellen, zum anderen werden sich die Kostenträger im Allgemeinen mit wachsenden Ausgaben für Heilmittel beschäftigen müssen.
Im Gesundheitssystem schlummern Einsparpotentiale in Milliardenhöhe, bei unnötigen Operationen zum Beispiel. Hier müssten z.B. Ärzte Ihrer sich selbst auferlegten Nationalen Versorgungsleitlinie lediglich folgen.
Leider ist auch hier der Großteil monetär getrieben. Die Bereitschaft, die Gelder ihrer Versicherten zielführend einzusetzen, anstatt dubiose Prämien an niedergelassene Ärzte dafür zu zahlen, Patienten auf dem Papier kränker zu machen als sie tatsächlich sind, vermag ich jedoch noch nicht erkennen.
 
Herr Lopez, vielen Dank für das Interview!