Interview mit MdB Maria Klein-Schmeink

Die gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90 Die Grünen hat kürzlich beim Bundesgesundheitsministerium zum Thema Osteopathie nachgefragt. Über dessen Antwort und ihre Sicht zur Osteopathie haben wir MdB Maria Klein-Schmeink interviewt.  

Frau Klein-Schmeink, Sie sind Mitglied des Bundestags und gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90 Die Grünen.

Für unsere erste Frage müssen wir ein wenig ausholen: In 2016 hat die Gesundheitsministerkonferenz das Bundesministerium für Gesundheit gebeten, „aus Gründen des Patientenschutzes zu prüfen, wie die durch verschiedene Gerichtsurteile entstandene Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Voraussetzungen, Finanzierungs- und Haftungsfragen der osteopathischen Leistungserbringung ausgeräumt werden können. In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob das Berufsbild des Osteopathen einer Reglementierung durch ein eigenes Berufsgesetz bedarf.“

Nun haben Sie im März diesen Jahres beim BMG schriftlich nachgefragt, ob das BMG dieser Bitte nachgekommen ist und welche Ergebnisse diese Prüfung gehabt hat. Was war der Anlass für Ihre Frage?  
Uns erreichen regelmäßig Zuschriften von Osteopathen bzw. Verbänden der Osteopathie, die aus verschiedenen Gründen mit der bestehenden Lage unzufrieden sind. Gemeinsam ist ihnen der Wunsch nach einem qualitätsgesicherten Berufsbild. Ich wollte wissen, wie die aktuelle Bundesregierung zu diesem Thema steht und ob sie Aktivitäten geplant hat.
 
Was hat Ihnen das BMG geantwortet? Wie ich befürchtet habe, sieht das BMG seinen Auftrag mit dem Vorschlag, den Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten osteopathische Behandlungen durch Änderungen in der Physiotherapieausbildung zu ermöglichen, als erledigt an.
 
Die Antwort des BMG lässt zwei Lesarten zu: Entweder, wir haben unsere Arbeit getan, unsere Vorschläge wurden aber nicht berücksichtigt. Oder, unsere Arbeit ist nicht beendet, wir werden uns bei Gelegenheit wieder einbringen. Welche Lesart ist richtig?
Meiner Ansicht nach lässt das BMG nicht erkennen, dass es einen weiteren Vorschlag einbringen möchte. Da der Gesetzgeber den Vorschlag zur Physiotherapieausbildung nicht berücksichtigt hat, sieht sich das BMG wohl nicht veranlasst, weiter aktiv zu werden.
 
Wie stand Ihre Fraktion zu dem ersatzlos gestrichenen Änderungsantrag 33, der vorsah, Osteopathie in die Physiotherapieausbildung zu integrieren?
Eine Verankerung der Osteopathie in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der Physiotherapie kommt für uns nicht in Frage. Die Osteopathie gilt als Heilkunde, Physiotherapeuten dürfen sie nur ausüben, wenn sie zusätzlich die Heilpraktikererlaubnis besitzen. Zudem ist die Osteopathie lediglich eine Satzungsleistung der Kassen. Eine Anerkennung und damit Regulierung der Ausbildung wäre allerdings im Sinne der Patienten für die Qualität und Transparenz sinnvoll.
 
Stellen wir uns einen Augenblick vor, es gäbe einen eigenen Beruf Osteopath. Dürfte dieser im Primärkontakt arbeiten und selbst Diagnosen erstellen?
Meines Erachtens ist die Wirksamkeit der osteopathischen Behandlungsmethode nach den Kriterien der Evidenzbasierung noch nicht ausreichend belegt. Insofern erscheint mir die Privilegierung, die ein Direktzugang ja zweifelsohne bedeutet, zumindest verfrüht. Insgesamt stellt sich die Frage des Direktzugangs für alle Heilmittelerbringer. Wir möchten die Erprobung ausweiten, um weitere Erfahrungen zu sammeln und auf der Grundlage regelhaft zu entscheiden.
 
Gäbe es bei einem eigenen Beruf Einschränkungen in der Ausübung der Osteopathie, die ja fast alle medizinischen Fachbereiche tangiert?
Grundsätzlich fordern wir, dass für die Osteopathie dieselben Kriterien gelten wir für alle anderen Behandlungsmethoden. Die Frage, ob es sich bei der Osteopathie um eine wirksame Behandlungsmethode für die Patientinnen und Patienten handelt, muss auf wissenschaftlicher Basis behandelt werden. Seit Jahren setzen wir uns dafür ein, dass das Bundesministerium Bildung und Forschung Forschungsvorhaben finanziert, die der Methodenentwicklung für Wirksamkeitsnachweise von alternativen Behandlungsmethoden dienen.
 
Und dürfte ein Osteopath dann weiterhin mit gesetzlich Versicherten privat abrechnen?
Das hängt davon ab, wie das Berufsbild ausgestaltet wäre, ob es auf Tätigwerden nach Verordnung hin ausgerichtet wäre oder ob es den Direktzugang gäbe. Ärzte können unter bestimmten Bedingungen sowie im Rahmen der Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) ja auch mit gesetzlich Versicherten privat abrechnen. Physiotherapeuten hingegen können nur bestimmte sog. „Wellnessbehandlungen“, also Leistungen wie bspw. Massagen, die nicht verordnet wurden, mit ihren gesetzlich versicherten Patienten privat abrechnen. Für alles andere brauchen sie bislang eine auf das Gebiet der Physiotherapie begrenzte Heilpraktikererlaubnis.
 
Wie stehen Sie zu der Satzungsleistung Osteopathie zahlreicher gesetzlicher Krankenkassen, die Physiotherapeuten als Leistungserbringer anerkennen, obwohl diese damit gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen?
Grundsätzlich sehe ich hier ein Problem mangelnder Transparenz, das auf dem Rechtsweg nicht zufriedenstellend gelöst werden kann. Denn der Heilpraktikerstatus setzt ja keine osteopathischen Kenntnisse voraus. Darum möchte ich mein Plädoyer für eine bessere Forschungslage wiederholen: Wir brauchen mehr Erkenntnisse sowohl über die Wirksamkeit und Unschädlichkeit osteopathischer Leistungen als auch über die notwendigen Anforderungen an eine Ausbildung, die dies gewährleisten kann.
 
Was raten Sie Physiotherapeuten, die Osteopathie erlernt haben und diese praktizieren wollen?
Es ist nicht an mir, hier etwas zu raten. Grundsätzlich richte ich den Wunsch an alle Osteopathen, gemeinsam mit uns für belastbare und wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit der Osteopathie zu kämpfen.

Frau Klein-Schmeink, vielen Dank für das Interview!