Ein Urteil und dessen Deutungen

Das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgericht zum sektoralen Heilpraktiker für Osteopathie ist von Osteopathieverbänden positiv aufgenommen worden, wird allerdings ganz unterschiedlich gedeutet. Wir haben darüber mit Jürgen Gröbmüller gesprochen, erster Vorsitzender der hpO.
 
Jürgen, das Bundesverwaltungsgericht hat den sektoralen Heilpraktiker für Osteopathie letztinstanzlich abgelehnt. Warum ist das aus Sicht der hpO ein gutes Urteil?
Der sektorale Heilpraktiker erlaubt Therapeuten innerhalb ihres Berufes im Primärkontakt zu arbeiten. Gibt es keinen Beruf, kann es auch keinen sektoralen Heilpraktiker geben. 

Aber auch fachlich gesehen, macht ein sektoraler Heilpraktiker für Osteopathie keinen Sinn. Auf welchen Sektor sollte dieser beschränkt sein, wenn Osteopathie den Patienten in seiner Gesamtheit behandelt?

Zudem, wenn ich im Primärkontakt arbeiten will und daher auch Patienten in meine Praxis kommen, denen ich osteopathisch nicht helfen kann, muss ich zwingend differentialdiagnostisch die Beschwerden abgrenzen und alternative Behandlungsmöglichkeiten benennen können. Diese Fachkenntnisse erwerbe ich aber nur als Arzt oder mit der vollumfänglichen Heilpraktikererlaubnis und nicht, wenn ich nur eine sektorale Heilpraktikererlaubnis besitze.
 
Die hpO versteht das Urteil auch als eine Warnung an jene, die weiterhin ein eigenes Berufsgesetz fordern, warum?
Wir warten ja noch auf die schriftliche Urteilsbegründung, aber in der Pressemittlung zum Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht den sektoralen Heilpraktiker für Osteopathie abgelehnt, weil „das Berufsbild des Osteopathen (...) nicht hinreichend klar umrissen (ist), so dass es an der für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis erforderlichen Abgrenzbarkeit der erlaubten Heiltätigkeit fehlt.“

Ein Berufsgesetz für Osteopathie zu fordern, heißt somit das Tätigkeitsfeld und die Grenzen der Osteopathie verbindlich festzulegen.
Zudem muss ein solcher Beruf in unser Gesundheitssystem eingebunden werden, also sozialverträglich gestaltet sein. Das heißt, Abrechnung über die GKV als Regelleistung, was nur mit ärztlicher Verordnung geht.
Ein neuer Heilberuf Osteopath, der im Primärkontakt arbeitet und privat abrechnet, war, ist und wird immer eine Illusion bleiben.     
 
Ein großer Verband argumentiert nun gegenüber seinen Mitgliedern, dass es hinsichtlich fehlender Qualitätssicherung und Patientensicherheit „und der mehr als ungewissen Frage, wie es um den Heilpraktiker politisch weitergeht“, unverantwortlich und geradezu fahrlässig sei, alles so zu belassen wie es ist.
Ich finde es erstaunlich, dass wenn es um Qualitätssicherung und Patientensicherheit in der Osteopathie geht, die Sorgfaltspflicht, der Ärzte wie Heilpraktiker unterliegen, vollkommen ignoriert wird. Und ich finde es geradezu skurril, wenn jene als verantwortungslos und fahrlässig bezeichnet werden, die sich an das Gesetz halten. 
 
Es kursiert das Gerücht, die große Koalition wolle den Heilpraktiker abschaffen, das stünde so auch im Koalitionsvertrag.
Wir leben in einer digitalen Welt, in der wir nicht mehr Gerüchten aufsitzen müssen, sondern vieles selbst überprüfen können.
Jeder kann den Koalitionsvertrag downloaden, dort heißt es lediglich man wolle "das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen."
  
Wäre ein eigenes Berufsgesetz nicht trotzdem wünschenswert?
Die Frage ist doch, was uns ein solches Berufsgesetz bringt: Eine fachlich eingeschränkte Osteopathie auf ärztliche Verordnung, die über die GKV abgerechnet wird. Wer das will, möge weiterhin ein eigenes Berufsgesetz fordern.  

Wir können Qualitätssicherung und Patientensicherheit selbst sicherstellen durch eine qualitativ hochwertige Weiterbildung in Osteopathie, wie sie auf nichtärztlicher Seite durch die BAO und auf ärztlicher Seite durch das EROP gewährleistet werden.
Und durch eine rechtssichere Ausübung der Osteopathie über die ärztliche Bestallung oder die vollumfängliche Heilpraktikererlaubnis. Dazu braucht es kein zusätzliches Berufsgesetz.
 
Und wem es darum geht, sich Osteopath nennen zu dürfen: Ich betreibe eine Praxis für Osteopathie und meine Patienten nehmen mich als Osteopathen wahr. Mehr brauche ich nicht, vor allem nicht um den Preis einer fachlich wie rechtlich eingeschränkten Osteopathie. 
   
Lieber Jürgen, vielen Dank für das Interview!