Zur Sache Physiotherapie 4/15

 

Osteopathie Quo vadis?
Ein Kommentar von Heino T. Schumacher, Geschäftsführer des ZVK-Nordverbundes
 
aus: Zur Sache Physiotherapie, Heft 4-2015
Verbandsorgan des Deutschen Verbandes für Physiotherapie (ZVK)
 
Spätestens seit Anfang 2015 geht die Auseinandersetzung um das Thema Osteopathie in die nächste Runde. Die einen wollen aus dem Osteopathen einen eigenständigen Beruf machen, die anderen lehnen exakt dies absolut ab.
Aus gutem Grunde sollte sich ein physiotherapeutischer Berufsverband hier mit eigenen Bewertungen zurückhalten. Diese inhaltliche und politische Neutralität führt aber nicht dazu, dass man aufhört, eigenständige Einschätzungen zu haben.
 
Eigenständiger Beruf des Osteopathen ist unwahrscheinlich!
Jedem sollte unabhängig von seinen berufspolitischen oder sonstigen Interessen klar sein, dass ohne eine gesetzliche Regelung ein eigenständiger Beruf in der Osteopathie nicht begründet werden kann.
Da ist es für die Befürworter schon ein Rückschlag, wenn auf der Bundespressekonferenz am 11. Juni 2014 der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Anfrage abschlägig antwortete.
 
Auszug aus der Bundespressekonferenz vom 11. Juni 2014:
Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium. Die Kosten für Osteopathiebehandlungen sind in Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um 300 Prozent gestiegen. Sieht das Bundesgesundheitsministerium angesichts dieser Kostenexplosion die Notwendigkeit einzuschreiten?
Eine zweite Frage dazu: Auf diesem Feld tummeln sich jede Menge Leute, deren genaue Ausbildung man nicht kennt. Gibt es Bedarf, dieses Berufsbild genauer zu definieren und dafür Voraussetzungen zu verlangen?
 
Berve-Schucht: Osteopathie gehört nicht zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen, sondern zu den sogenannten erweiterten Leistungen, die die Krankenkassen im Wettbewerb um Versicherte anbieten können. Es ist auch eine relativ neue Leistung, und deswegen ist es nicht so sehr überraschend, dass die Ausgaben dafür in den letzten Jahren sehr angestiegen sind. Es wird abzuwarten sein, wie sich das weiter entwickelt und wie die Ausgaben sich weiter entwickeln werden.
 
Zum Thema "Beruf des Osteopathen": Es ist richtig, dass es kein geregeltes Berufsbild dafür gibt. Es besteht seitens des Bundes aber auch keine Absicht, da eine Regelung zu schaffen.
 
Diese eher abschlägige Bewertung durch die Bundesregierung kann sicherlich durch politischen Druck und insbesondere mit politischen und fachlichen Bündnispartnern theoretisch verändert werden. Ich persönlich halte aber die aktuelle fachliche Diskussion für zu heterogen, als dass hier wirklich Erfolgsaussichten bestehen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit ist es interessant, sich einzelne Interessensgruppen einmal anzuschauen.
 
Die Deutsche Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM) e.V. kämpft für den Arzt- bzw. Heilpraktikervorbehalt bei Osteopathie
Der stark facharztzentrierte Verein DGMM hat sich in den letzten Jahren immer wieder zu der Behandlungsmethode Osteopathie geäußert. Mit einer am 6. Januar 2015 veröffentlichten Erklärung unter der Bezeichnung "DGMM Positionspapier zur Osteopathie in Deutschland" gehen die verantwortlichen Autoren wesentlich weiter als bei ähnlichen Veröffentlichungen in den letzten Jahren.
 
Osteopath soll kein eigenständiger Beruf werden!
Aus dem Inhalt des Positionspapiers lassen sich die Beweggründe der Autoren des Papiers ableiten: Offensichtlich wollen sie den unterschiedlichen Bestrebungen osteopathischer Ausbildungsstätten, dem Beruf des Physiotherapeuten/der Physiotherapeutin ein weiteres Berufsbild zur Seite zu stellen, von vornherein jede fachliche und damit wahrscheinlich auch jede politische Grundlage entziehen.
Darüber hinaus verorten die Autoren die Osteopathie eher als "Wurmfortsatz" der ärztlichen manuellen Medizin.
 
Ob hier ausschließlich fachliche Argumente zu den Schlussfolgerungen geführt haben, kann sicherlich bestritten werden, denn die Intention, den immer noch boomenden Markt in fachärztlicher Hand zu behalten, ist zu offensichtlich.
Auf der Homepage der DGMM ist das entsprechende Positionspapier zu finden. Link: www.dgmm.de/images/dgmm%20positionspapier%20zur%20osteopathie%20in%20deustchland.pdf
 
Berufsvereinigung für heilkundlich praktizierte Osteopathie e.V. (hpO) hält fachlich dagegen
In einer Stellungnahme vom 24. Januar 2015 widerspricht die hpo der DGMM insbesondere inhaltlich. Für sie ist Osteopathie eine eigenständige, komplementäre, manuelle Form der Heilkunde und keine Erweiterung der Manuellen Medizin.
Sie fordert in ihrer Erklärung die DGMM auf, ihre „osteopathischen Verfahren" nicht weiter als Osteopathie zu bezeichnen und ihre Bemühungen zu unterlassen, in der Öffentlichkeit und ich Fachkreisen den Eindruck zu erwecken, „osteopathische Verfahren“ und Osteopathie seien dasselbe.  
 
Krankenkassen werden sich gegen ein eigenes Berufsbild aussprechen
Fluch und Segen liegen in diesem Fall eng beieinander: Nachdem viele Krankenkassen Erstattungsmodule für osteopathische Leistungen aufgebaut haben, stellen sie jetzt fest, dass dadurch Beitragsabflüsse von ca. 100 Millionen Euro jährlich entstanden sind. Es ist zu vermuten, dass der seit 1. Januar 2015 weiter ansteigende Kassenwettbewerb unter dem Gesichtspunkt der Zusatzbeiträge die Kassen veranlassen wird, die entsprechenden Erstattungsprogramme für Osteopathie entweder gänzlich einzustellen oder zumindest stark einzuschränken. Hinzukommt, dass die Kassen - insbesondere der damalige Vorreiter, die Techniker Krankenkasse - die Osteopathie primär als Marketinginstrument außerhalb der Regelversorgung verstanden haben.
Objektiv haben sie kein Interesse daran, die Osteopathie in welcher Form auch immer in die Regelversorgung aufzunehmen.
 
Osteopathie ist Heilkunde, osteopathische Techniken sind etwas anderes
Unabhängig davon, wie man zu diesen Fragen inhaltlich und politisch steht, ist festzustellen, dass es weder ein klares Berufsbild noch eine verbindliche und eindeutige Beschreibung der Leistung "Osteopathie" gibt. Hier sollte jeder Interessierte einmal auf die Homepage der Bundesärztekammer gehen und den Suchbegriff "Osteopathie" eingeben. Es ist überraschend, wie wenig tatsächlich geklärt ist.
 
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat mit rechtskräftigem Urteil vom 08.12.2008 (Az: 7 K 967/07) festgestellt, dass die Osteopathie eher der Heilkunde zuzurechnen sei. Dies hat zur Folge, dass ohne Heilpraktikererlaubnis wenig geht.
 
Was tun Physiotherapeuten? Osteopathie in der ärztlichen Delegation
Völlig klar ist, dass im Rahmen der ärztlichen Delegation von Krankengymnastik (bestehende Bezeichnung des Heilmittels) osteopathische Techniken in der Leistungsabgabe (Behandlung) Krankengymnastik/Physiotherapie berücksichtigt werden können. Was hier abgegeben wird, bleibt aber das Heilmittel Krankengymnastik und nicht mehr.
 
Bei allen werblichen Auftritten (auch Homepages) ist deshalb eine klare Formulierung zwingend notwendig. Formulierungen "Osteopathie" oder "osteopathische Techniken bzw. Verfahren" sind, ohne dass man im Besitz der Heilpraktikererlaubnis ist, absolut zu vermeiden, denn es drohen hier wirklich teure Abmahnungen. Die unerotische Formulierung lautet: "Krankengymnastik/Physiotherapie auf ärztliche Verordnung unter Berücksichtigung osteopathischer Techniken".
 
Osteopathie von Heilpraktikern
Hier können entsprechende Leistungen auf Selbstzahlerbasis abgegeben und abgerechnet werden. Die Haftung trägt der HP im vollem Umfang.
 
Osteopathie von Teilheilpraktikern/Physiotherapie
Der Teilheilpraktiker stellt auf die Qualifikation Physiotherapie ab. In der Ausbildung zum PT werden bei der grundständischen Ausbildung im Bereich MT selbstverständlich auch Fähigkeiten aus dem Bereich der Osteopathie vermittelt.
In diesen engen Grenzen kann dann ein Teilheilpraktiker/Physiotherapie auf Selbstzahlerbasis Teile der osteopathischen Techniken verwenden.
Verfügt er dann auch noch über die entsprechende zertifizierte Weiterbildung in MT, dann gehen seine Kenntnisse noch entsprechend weiter.
 
Resümee:
Die Osteopathie wird weder ein Teil der medizinischen Regelversorgung, noch wird sie aus meiner Sicht zu einem eigenständigen Beruf oder Berufsbild. Entsprechende Versprechungen sind eher ein Marketinginstrument, um Weiterbildungen zu verkaufen. Außerhalb der Delegation im Rahmen der ärztlichen Verordnung Krankengymnastik bietet aktuell nur der Heilpraktiker Rechtssicherheit.
 
Wer lediglich den Teilheilpraktiker/Physiotherapie besitzt, sollte sich den rechtlichen Unabwägbarkeiten bewusst sein. Dies gilt noch stärker für Physiotherapeuten, die osteopathische Techniken bei der KG-Behandlung berücksichtigen. Hier sollte insbesondere bei jeder werblichen Maßnahme eher Zurückhaltung geübt werden.
Heino T. Schumacher
Geschäftsführer

Literatur

Veröffentlichung auf der Website der hpO mit freundlicher Genehmigung des Autors.