Gegen die Physiotherapeutisierung der Osteopathie

Auf der 88. Gesundheitsministerkonferenz in Bad Dürkheim wurde als einer von zahlreichen Beschlüssen eine „Stärkung der therapeutischen- und Assistenzberufe im Gesundheitswesen“ verabschiedet.

Damit folgte die Konferenz der Einschätzung des Sachverständigenrates für die Entwicklung im Gesundheitswesen, wonach „in der zukünftigen Versorgung der Bevölkerung der Einsatz von neuen Formen multiprofessioneller und interdisziplinärer Teams einen überragenden Stellenwert einnehmen wird.“

Der Beschluss richtet sich an das Bundesgesundheitsministerium, das prüfen soll,
"wie die berufsrechtlichen Voraussetzungen für Modellvorhaben geschaffen werden können.“
Und „ob durch Änderung des SGB V Modellvorhaben ermöglicht werden können, die es erlauben, einhergehend mit einer größeren Versorgungsverantwortung Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bei bestimmten vom Gemeinsamen Bundesausschuss festzulegenden Indikationen zu erbringen, soweit sie hierzu aufgrund ihrer Ausbildung qualifiziert sind.“

Was Verbände von therapeutischen und Assistenzberufen im Gesundheitswesen freuen dürfte, ist für die Osteopathie durchaus problematisch. Denn spätestens wenn Physiotherapeuten sowie Masseure und med. Bademeister bei entsprechender qualifizierte Ausbildung und vorerst im Modellvorhaben eine größere Versorgungsverantwortung erhalten, werden sie versuchen, mindestens die parietale Osteopathie in ihre Ausbildung und/oder Fortbildung zu integrieren.

Der Grund liegt auf der Hand: Die parietale Osteopathie ist der nachweislich wirksamste Bereich der Osteopathie und fällt, da er den Stütz- und Bewegungsapparat zum Gegenstand hat, genau in das Arbeitsgebiet des Physiotherapeuten bzw. Masseurs und med. Bademeisters. Die beiden therapeutischen Berufe benötigen daher keine Heilerlaubnis, um parietale Osteopathie auszuüben und können diese mit dem sektorale Heilpraktiker für Physiotherapie sogar im Primärkontakt praktizieren.

Versuche von physiotherapeutischer Seite die Osteopathie zu vereinnahmen, gibt es bereits.

  • So bietet seit 2012 der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK, eine dreijährige Fortbildung in osteopathischen Techniken von 1000 Unterrichtstunden an, in denen 260 Unterrichtsstunden Manuelle Therapie enthalten sind. Die ersten fertig ausgebildeten Physiotherapeuten werden im Herbst diesen Jahres ihre Ausbildung abschließen.
  • Der Betreiber der College Sutherland-Schulen TOP Physio bietet seit März eine zweijährige „Manuellen Therapie - nach osteopathischem Konzept“ an.
  • Und das Institut für Osteopathie und Manuelle Therapie, inomt, bietet eine „Osteopathie nach dem Biokybernetischem Konzept“ von 1020 Unterrichtsstunden an, in denen die Manuelle Therapie mit 420 Unterrichtstunden enthalten ist.


Warum sollte künftig ein Physiotherapeut eine fünfjährige berufsbegleitende Ausbildung starten, wenn „Osteopathie“ für deutlich weniger Zeit und Geld zu haben ist? Wer erklärt Physiotherapeuten die Notwendigkeit einer Ausbildung nach BAO-Richtlinien, wenn sie mit der parietalen Osteopathie bereits wirksam und rechtskonform arbeiten können?

Was droht der Osteopathie, wenn künftig Physiotherapeuten mit größerer „Versorgungsverantwortung Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bei bestimmten vom Gemeinsamen Bundesausschuss festzulegenden Indikationen (...) erbringen“ können?

Einige setzen auf die Akademisierung und überlassen damit langfristig das Feld der nichtakademischen Ausbildung denen, die Osteopathie in Einzelteile zerlegen. Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch diese auf den akademischen Zug aufspringen werden.

Osteopathie ist Heilkunde. An diesem Ausgangspunkt müssen wir festhalten, wenn wir die Osteopathie als Ganzes erhalten wollen. Schwierig, wenn Osteopathieverbände vorwiegend Physiotherapeuten an Patienten vermittelt.