Der eigenständige Heilberuf Osteopath: Ein sozialverträglich gestalteter Beruf

Seit geraumer Zeit wird der eigenständige Heilberuf Osteopath lautstark gefordert, aber nicht darüber diskutiert, welche Folgen ein solcher neuer Heilberuf hätte. Wir stellen deshalb auch diese Woche einen spezifischen Aspekt vor, den ein eigenständiger Heilberuf Osteopath mit sich brächte. Wir freuen uns sehr, dass wir mit unserer Rubrik eine durchaus konstruktive Diskussion in Gang gebracht haben.
 
Unser Thema diese Woche:
Der Osteopath, ein sozialverträglich gestalteter Heilberuf.
 
Sollte der Gesetzgeber den Heilberuf des im Primärkontakt arbeitenden Osteopathen schaffen wollen, dann müsste er sicherstellen, dass dieser neue Beruf – gerade weil in der Heilkunde situiert – sozialverträglich gestaltet ist.
 
Sozialverträglich bedeutet konkret, dass jeder gesetzlich Versicherte Anspruch auf die Leistungen eines Osteopathen hätte. Das ist gegenwärtig nicht der Fall. Die von vielen GKVs praktizierte anteilige Erstattung osteopathischer Leistungen ist eine sog. Satzungsleistung, die sich GKVs erst durch das Bundesversicherungsamt genehmigen lassen müssen. Es handelt sich dabei um eine freiwillige, zusätzliche Leistung der Kassen für ihre Versicherte, mit der sie sich Wettbewerbsvorteile gegenüber konkurrierenden Kassen verschaffen. Viele GKVs bieten deshalb nicht nur Osteopathie als Satzungsleistung an, sondern auch Homöopathie, Kinderwunschbehandlung, professionelle Zahnreinigung und anderes mehr. Die GKVs können jederzeit eine Satzungsleistung wie die Osteopathie wieder streichen oder die Voraussetzungen für diese Leistung oder die Höhe der Erstattung ändern.
 
Für einen sozialverträglich gestalteten neuen Heilberuf müsste die Osteopathie in das Gesundheitssystem aufgenommen und zu einer Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen, GKVs, werden. Einen Heilberuf, der nur Selbstzahler und Privatversicherte als Patienten hat und selbst über die Höhe seines Behandlungssatzes bestimmt, würde der Gesetzgeber keinesfalls erschaffen wollen und wohl auch gar nicht dürfen.
 
Die GKVs müssten ihre bisherige Satzungsleistung durch eine Regelleistung Osteopathie ersetzen. Osteopathen bräuchten dann eine Kassenzulassung, um auch gesetzlich abrechnen zu können. Für die meisten Osteopathen wäre diese Kassenzulassung die wirtschaftliche Grundlage, um Heilkunde ausüben zu können. Dazu müssten sie über Ziffern einer Gebührenordnung, ähnlich der Gebührenordnung für Ärzte, je nach erfolgter Diagnose und angewandter Technik abrechen oder es müssten andere Konstellationen der Abrechnung gefunden werden.  
 
In Hinblick auf die Abrechnung über Ziffern wird gern auf die Psychotherapeuten verwiesen, die als anerkannter Heilberuf (Facharztstatus) zu festen Behandlungssätzen abrechnen (86,37 Euro pro Sitzung à 50 Minuten plus ggf. Strukturzuschlag von 14,69 Euro). Doch gäbe es neben der fachlichen Differenz zwei entscheidende Unterschiede zu Osteopathen:  Psychotherapeuten haben Medizin oder Psychologie studiert und sich zusätzlich in Psychotherapie aus- bzw. fortbilden lassen. Zudem musste der Gesetzgeber sie 1999 in das System der Kassenärztlichen Vereinigungen integrieren, um damit das Durcheinander bei der Behandlung psychischer Erkrankungen zu beheben.
 
Diese Notwendigkeit liegt bei der Osteopathie nicht vor. Zudem ist es nicht vorstellbar, dass ein komplementärmedizinischer Heilberuf auch in das System der Kassenärztlichen Vereinigungen integriert werden würde. Deshalb wäre die Abrechnung über Ziffern einer Gebührenordnung, statt zu festen Behandlungsätzen für Osteopathen mit Kassenzulassung die deutlich wahrscheinlichere Variante.
 
Und selbst wenn der Gesetzgeber den Osteopathen lediglich als Heilmittelerbringer planen würde, der nur auf Verordnung hin praktizieren dürfte, müsste ein solcher Beruf sozialverträglich gestaltet sein, mit dann – wie z.B. beim Physiotherapeuten –  festgeschriebenen Behandlungssätzen für gesetzlich Versicherte.    
 
Ein sozialverträglicher Beruf, ob im Primärkontakt arbeitend oder als Heilmittelerbringer, würde sich auch auf die Osteopathie selbst auswirken:
Als Satzungsleistung der GKVs würde der Osteopathie wohl Ähnliches widerfahren wie seinerzeit der Akupunktur. Da Studien fehlten, die die erhöhte Wirksamkeit der Akupunktur gegenüber Standardtherapien belegten, beschränken sich die GKVs auf die Kostenübernahme bei Schmerzen der Lendenwirbelsäule und bei Kniearthrosen.  
 
Das sind einige Denkanstöße, über die es sich lohnt, nachzudenken und zu diskutieren, wenn man den eigenständigen Heilberuf Osteopath fordert.
 
Diskutieren Sie gern mit uns: contact@hpo-osteopathie.de
  
Unser Thema kommende Woche: Warum eine bundesweite WPO-Osteo keinen neuen Beruf erschaffen kann.