Über Schwangere, Influencer und Brückenbauer
Während einer Schwangerschaft hat sich der Körper laufend auf Veränderungen einzustellen. Wie die klassische Osteopathie schwangerschaftsbedingte Beschwerden lindern oder sogar vermeiden kann, beschreibt Kai Schabel in einem Fachartikel. Er betreibt in Weßling eine Praxis, in der sich Osteopathie und Naturheilkunde fließend miteinander verbinden. Ein wichtiger Teil seines Tuns ist die Behandlung von Schwangeren.
Generell arbeitet Kai Schabel unter anderem mit Methoden der Classical Osteopathy, für die er eine Ausbildung am Institute of Classical Osteopathy in England absolviert hat. In seinem Artikel klärt er unter anderem über Missverständnisse auf, die bei den Themen Classical Osteopathy und Bodyadjustment häufig entstehen.
Kai Schabels Fachartikel Osteopathische Begleitung der Schwangerschaft ist inzwischen hier online zu lesen oder gedruckt in der Fachzeitschrift "Der Heilpraktiker" (Ausgabe 08/2023).
Interview mit Kai Schabel, Heilpraktiker und Osteopath
Anlässlich der Artikel-Veröffentlichung haben wir den Autor interviewt. Kai Schabel ist hpO-Mitglied und erzählt hier, welche Lehrer der Classical Osteopathy ihn besonders beeinflusst haben, was ihm beim Schreiben von Fachbeiträgen hilft – und wann Word-Dateien anfangen zu nerven
Kai, wie bist du auf das Thema gekommen?
Kai Schabel: Viele sagen, es sei doch normal, dass Schwangere sich erbrechen oder Sodbrennen haben. Nein, ist es nicht. Natürlich ist Schwangerschaft weder eine Krankheit noch ein Defekt. Aber Schwangere haben oft Probleme mit der Funktionalität, weil ihr Körper nicht in der Lage ist, die Schritte so mitzumachen, wie er sollte. In meiner Praxis behandle ich oft Schwangere, meist in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Hebamme. Insofern ist das Thema der Schwangerschaftsbegleitung ein wichtiger Teil meiner Praxis.
So ein Fachartikel entsteht nicht in zwei Stunden. Was hat dich motiviert, diese Arbeit zu machen?
Mir ging es darum, das Thema aus der Perspektive der Classical Osteopathy zu schildern, denn dazu habe ich noch in keiner deutschen Zeitschrift etwas Ausführliches gelesen. Es hat mich gereizt, wie man da herangehen kann, zumal man sich in so einem Beitrag auf das Wesentliche beschränken muss. Mir war wichtig, in einem kleinen Exkurs den Kern der Classical Osteopathy aufzuzeigen, damit alle das Konzept nachvollziehen können – und dann jeder von sich aus weiterdenken mag.
Wir gehen an dieser Stelle nicht auf das Konzept der Classical Ostheopathy ein, sondern verweisen dazu auf deinen Beitrag, in dem du auch die Unterschiede zwischen Bodyadjustment und der GOT (General Osteopathic Technique) verständlich machst. Du hast dein Wissen über klassische Osteopathie am Institute of Classical Osteopathy in Surrey, England, intensiviert. Was würde dir heute fehlen, wenn du nicht in England studiert hättest?
Ein wunderschöner, schonender Behandlungsansatz. Vor der Ausbildung in England habe ich noch viel mit GOT gearbeitet und in erster Linie Nebenwirkungen erzielt. Weil ich das Konzept der Classical Ostheopathy in seiner Tiefe verstehen wollte, bin ich nach England, wo John Wernham gelehrt hat, ein Schüler von John Martin Littlejohn. Das Verständnis der ganz ursprünglichen Osteopathie hat mich immer gereizt. Was mir noch fehlen würde, ist die Achtsamkeit für die Ausdrucksweise. In England legt man großen Wert auf die Präzision der Begriffe. Die Lehrenden fragen rigoros nach, wenn man sich nicht exakt genug ausdrückt. Besonders beeinflusst haben mich dort Alice Williams, Ben Adams und Hendrik Vlek. Sie sind sozusagen meine Lieblings-Influencer.
Gab es etwas, was dich bei deinen Recherchen zu dem Thema überrascht hat?
Das nicht. Ich wusste ja, wo die Quellen sind, und durfte in der Vergangenheit mit ganz grandiosen Lehrern arbeiten, zum Beispiel mit Gez Lamb und Robert Lever bezüglich Specific Adjustment. Das waren Menschen, die mich unglaublich vorwärtsgebracht haben. Meine Aha-Momente fanden viele Jahre vorher statt, nämlich, als ich Bücher über tibetische Medizin, chinesische Medizin, europäische Medizin usw. gelesen habe. Da dachte ich: Wow, da gibt es so viele Ähnlichkeiten im Denken! Nach allem, was ich über Heilkunde und Osteopathie gelesen habe, ist mein Eindruck, dass naturheilkundliches Denken und osteopathisches Denken sich sehr ähnlich sind. Trotzdem stelle ich bei vielen Praktizierenden immer wieder eine ablehnende Haltung gegenüber der anderen Seite fest.
Diese ablehnende Haltung hast du offensichtlich nicht.
Richtig. Es würde mich sehr freuen, wenn mein Artikel dazu beitragen würde, eine Brücke zwischen Osteopathen und Heilpraktikern zu schlagen. Ich fände es schön, in einen regeren Austausch zu kommen. Letztlich sind wir eine Berufsgruppe. Ich finde es gut, wenn wir im direkten Austausch und über Fachbeiträge grundsätzlich mehr darüber erfahren, wie andere heilkundlich Praktizierende vorgehen.
Wie hat es sich angefühlt, als du den Artikel fertig im Layout gesehen hast?
Wie eine Belohnung. Es hat mich sehr froh gemacht, dass ich das geschafft habe, was ich mir mit dem Beitrag vorgenommen hatte.
Würdest du noch einmal einen Artikel für die Zeitschrift "Der Heilpraktiker" schreiben?
Ja, das war auch nicht mein erster Fachbeitrag. Man bekommt von der Redaktion ein Merkblatt, an dem man sich hinsichtlich der Formalien wie den Seitenumfang orientieren kann. Man muss als Autor auch Inhalte weglassen können, was wirklich nicht leichtfällt. Ich hatte ursprünglich viel mehr geschrieben als die vorgesehene Zeichenanzahl. Ganz ehrlich, ich habe so viel geschrieben und gekürzt, am Ende konnte ich die Word-Datei nicht mehr sehen! Wenn aber dann der Artikel fertig vor einem liegt, ist die Mühe vergessen.
Einige unserer Mitglieder würden gern einen Beitrag schreiben, zögern aber. Manche haben Sorge, dass sie ein Thema nicht vollumfänglich auf dem zur Verfügung stehenden Platz darstellen können. Wie siehst du das?
Ich habe mein Thema absichtlich spezifisch festgelegt und damit schon mal eingegrenzt. Es ist ganz klar, dass man Inhalte weglassen muss, auch wenn's – wie gesagt – schwerfällt. Ich halte die Vorarbeit für sehr wichtig. Wenn die Vorarbeit gut ist und wenn ich weiß, worüber ich wirklich schreiben will, dann schreibt sich der Text nach einer Weile von selbst. Außerdem steht einem das hpO-Team bei der gesamten Betreuung zur Seite, und das in einem atemberaubenden Tempo. Das hilft enorm.
Das Interview führte Doris Ehrhardt, freie Mitarbeiterin für die Kommunikationsarbeit des hpO.